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发表于 2013-4-19 11:47:40
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Die Welt 18.04.13
Schmuggelware Milchpulver
In Deutschland wird Babynahrung knapp – weil China der eigenen Produktion misstraut Von Johnny Erling
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Ein Drogeriemarkt von Rossmann in Berlin-Kreuzberg. Prall gefüllte Regale, wohin das Auge schaut. Mit einer Ausnahme: Im Bereich Babynahrung klaffen große Lücken. Da, wo die 600-Gramm-Packungen der Babymilch Milumil HA 1 von Milupa für 10,79 Euro stehen sollten, ist es leer. In der Mitte des Regals hängt ein Zettel. Kein Werbeangebot, sondern eine Nachricht an die Kunden, Betreff: "Liefersituation Milupa Aptamil und Milumil Anfangs- und Folgemilchen". Die Nachfrage bei Säuglingsnahrungen sei, wie in der Presse zu lesen, stark gestiegen. Der Lieferant Milupa könne diese nicht ausreichend bedienen. Deshalb die Lücken im Regal.
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In anderen Märkten ist das Bild nicht besser. Ob Nordrhein-Westfalen oder in Berlin – die Bilder gleichen sich. Eltern müssen sich seit geraumer Zeit unter erschwerten Bedingungen mit Babynahrung versorgen, manchmal auch mehrere Läden abklappern. Betroffen sind "Ballungsräume oder Gebiete, in denen viele Familien mit kleinen Kindern wohnen", sagt Sina Balkau, Sprecherin von Rossmann zu den offensichtlichen Hamsterkäufen. Es gebe gelegentlich Nachfragen von Eltern, aber keinen Proteststurm.
"So etwas haben wir noch nie erlebt", sagt Milupa-Sprecher Stefan Stohl. Der Marktführer ist von der eigentlich erfreulichen Nachfrage besonders betroffen. Seit Ende 2012 finden seine Produkte reißenderen Absatz als bisher üblich. Allein bei der Trockenmilch Aptamil nahm die Nachfrage um 30 Prozent zu. Das Unternehmen entschuldigt sich derzeit auf seiner Web-Seite ebenfalls mit einem Brief an Eltern. Normalerweise ist der Markt stabil, die Zahlen der Geburten und Kinder in Deutschland und das Stillverhalten der Mütter sind ja bekannt.
Eine Ausweitung der Produktion kommt derzeit nur schwer in Gang. Das Werk in Fulda ist komplett ausgelastet, läuft sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Eine neue Produktlinie ist vor wenigen Wochen angelaufen, für eine volle Auslastung soll noch Zeit vergehen, unter anderem kommt es auch auf die Lieferanten der Rohstoffe an, heißt es. Es werde Verbesserungen geben, sagt der Sprecher. Bis dahin gibt es die Empfehlung an die Märkte, nur noch zwei bis drei Packungen je Kunde zu verkaufen.
Die Ursache für all die leeren Regale liegt nicht in Deutschland, sondern in China. Das ist allgemein bekannt. Obwohl das asiatische Land traditionell keine Milch trinkende Nation war, ist sie es inzwischen geworden. 2012 lebten in China rund 108 Millionen Kleinkinder bis drei Jahre. Und die Eltern der Einkindfamilien sind für die Gesundheit ihrer Babys bereit, auf alle Barrikaden zu gehen. Sie haben den Milchpulverschock noch nicht verdaut, der in das Jahr 2008 zurückführt. Damals flogen Dutzende Großmolkereien in einem gigantischen Skandal auf, weil sie Milchpulver auf den Markt brachten, in das sie die Chemikalie Melamin gemischt hatten. Sechs Kinder starben daran, 300.000 Babys mussten wegen Nierenschäden behandelt werden.
Das Vertrauen ist dahin. Eine der bestraften Molkereien musste vergangenes Jahr alle ihre zwischen November 2011 und Mai 2012 hergestellten Babymilchprodukte zurückrufen. Staatliche Kontrolleure hatten "ungewöhnliche" Mengen an Quecksilberspuren entdeckt.
Ein bitterer Witz macht deshalb in China die Runde. Sagt ein Pekinger zum anderen: "Hast du schon gehört, dass der Import ausländischen Milchpulvers aus Hongkong zu uns unter Schmuggel fällt?" Sagt der andere: "Hast du schon gehört, dass die Ausfuhr chinesischen Milchpulvers nach Hongkong als Drogenhandel bestraft wird?"
Die Skandale treiben die Chinesen, sicheres und gesundes Milchpulver im Ausland für ihre Babys selbst zu kaufen oder besorgen zu lassen. Besonders die Ober- und Mittelschicht kauft Milchpulver auf, sei es direkt oder über Online-Portale. Überall in westlichen Industriestaaten; Deutschland ist nur ein Land unter vielen. Da Stefan Stohls Milupa-Telefonnummer im Netz steht, rufen bei ihm freundliche Stewardessen an, die Babymilch mit nach Asien nehmen wollen, aber auch Studenten, die auf professioneller Basis die Nahrung transportieren möchten, sowie Großexporteure. Ihnen allen wird abgesagt. Milupa exportiert nicht. Der Hersteller ist mit dem Tochterunternehmen Durex in China vor Ort, aber diese Babynahrung wird von Kunden offenbar nicht als made in Germany angesehen. "Sie müssen augenscheinlich ein nicht chinesisches Produkt präsentieren", so Stohl. Chinas Eltern unterstellen, dass Verkäufer ausländischer Babynahrung diese genauso verpanschten, wie sie es immer wieder mit einheimisch erzeugtem Milchpulver tun. Ende März kam Nutradefense-Babynahrung ins Gerede, die unter dem Etikett eines Schweizer Herstellers verkauft wurde. Die Behörden ließen mehrere Tausend Kilo in chinesischen Großstädten wie Peking, Shanghai oder Chengdu und im Online-Verkauf der großen E-Commerce-Portale beschlagnahmen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Der Verdacht: Chinesische Großimporteure sollen Milchpulver, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, hineingemischt und mit Auslands-Gütesiegeln neu etikettiert haben.
Das von der Partei in Peking herausgegebene Magazin "Xiaokang" ("Insight China") spricht nun offen vom "Milchpulverkrieg" gegen China. Die Zeitschrift zählte auf: In den USA schränkten Supermärkte wie Wal Mart oder Target seit Juni 2012 den Milchpulververkauf ein. Kein Kunde darf mehr als ein Dutzend Packungen kaufen. Seit Oktober machten es ihnen Handelsketten von Australien, Neuseeland bis nach Holland nach. "Insight China" druckte eine nach Umfrage chinesischer Mütter angefertigte und im Internet verbreitete farbige Karte. Sie zeigt, wo es in der Welt noch gesunde Babynahrung gibt. China ist schwarz für "giftiges Milchpulver", Russland rot, weil es dort überwiegend nur frische Milch zu kaufen gibt. Europa aber strahlt himmelblau. "Dort gibt es das beste Milchpulver der Welt."
Obwohl China inzwischen drittgrößter Milchhersteller der Welt ist, kommen zwei Drittel seiner Milchprodukte aus dem Ausland. "Insight China" schätzt den Umsatz mit Babynahrung 2012 auf umgerechnet mehr als vier Milliarden Euro. Offiziell importiertes Milchpulver ist in China wegen Zöllen viel teurer. Weil Hongkong nahe liegt, blüht dort der Schmuggel besonders.
Seit dem 1. März wird nach wochenlangen Warnungen das Gepäck von allen nach China ausreisenden Personen durchsucht: Niemand darf mehr als zwei Portionsdosen oder 1,8 Kilogramm Milchpulver in die Volksrepublik ausführen. Bis Ende März hatten sie 499 Milchpulver-Schmuggler festgenommen und mehr als zwei Tonnen der weißen Konterbande beschlagnahmt. Schon am ersten Kontrolltag erwischte es einen Reisenden mit gleich elf Dosen im überschweren Handgepäck. Er zahlte umgerechnet 500 Euro Strafe. Zwei Dosen durfte er dann mitnehmen. |
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